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Die schweigende Mehrheit zum Sprechen bringen – aber wie | Büro Hitschfeld

Die schweigende Mehrheit zum Sprechen bringen – aber wie?

Diskussion verschiedener methodischer Ansätze

Christoph Eichenseer und Uwe Hitschfeld

Was empfinden Bürgerinnen und Bürger als „erfolgreiche“ Bürgerbeteiligung? Eine Frage, die Vorhabenträger, Behörden und Politik umtreiben muss, wenn es um die Legitimität von Projekten geht, die durch die Beteiligung der Bevölkerung an Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozessen gestärkt werden soll.

Es geht also nicht in erster Linie um die, in den einschlägigen Regelwerken beschriebene und verpflichtend festgelegte „formale Bürgerbeteiligung“, sondern um all die sogenannten „freiwilligen“, „vorgezogenen“ und ergänzenden Formate, mit denen Bürgerinnen und Bürger oft vor den formalen Beteiligungsformaten angesprochen werden sollen.

Im Rahmen eines unserer letzten Forschungsprojekte (Quelle: “Bürgerschaftliches Engagement. Wann gilt Bürgerbeteiligung als erfolgreich?“ 9/2016) haben wir in einer deutschlandweit repräsentativen Untersuchung nachgewiesen, dass über die Hälfte (60 %) der Befragten Bürgerbeteiligung dann für erfolgreich halten, wenn möglichst viele BürgerInnen von den Beteiligungs- und Informationsmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch gemacht haben.

40 % der Befragten finden, dass das Kriterium für den „Erfolg der Bürgerbeteiligung“ die vorhandene Möglichkeit ist, sich zu informieren und zu beteiligen.

Stimmen zur Frage der Bürgerbeteiligung

Da es keine Verpflichtung zur Beteiligung an angebotenen Partizipationsformaten gibt und unser System ohnehin auf die Artikulation von Einwänden, nicht von Zustimmung zu einem Vorhaben ausgerichtet ist, stehen die Akteure, die Partizipation organisieren und durchführen, vor einem Problem.

Als Lösung dafür gibt es verschiedene konzeptionelle Ansätze. Allen gemeinsam ist der Versuch, die „schweigende Mehrheit“,  also auch diejenigen, die sich gewöhnlich nicht beteiligen, „zum Sprechen zu bringen“.

„Zufallsbürger“ oder „begleitende Meinungsforschung“?

Aufmerksamkeit hat der Einsatz der sogenannten „Zufallsbürger“ gefunden. Dieser Ansatz wurde und wird bei verschiedenen Projekten in Baden–Württemberg und auch im Rahmen der Endlagersuche für radioaktiven Abfall („Endlagersuche“) angewendet.

Das Büro Hitschfeld empfiehlt hingegen, Partizipationsformate durch repräsentative Meinungsforschung zu flankieren.

Was spricht für, was gegen diese Ansätze?

Zufallsbürger

werden nach einem aufwändigen statistischen Verfahren ermittelt und angesprochen. Sie werden eingeladen, sich über das Projekt informieren zu lassen und dann beschriebene Aufgaben unter Anleitung zu bearbeiten bzw. ihre Meinung zu definierten Sachverhalten zu äußern.

Vorteile dieses Verfahrens:

+ Qualitative Fragestellungen können bearbeitet werden.

+ (begrenzte) Möglichkeit, die „schweigende Mehrheit“ zu Wort kommen zu lassen

+ begrenzter Aufwand

Nachteile dieses Verfahrens:

+ Trotz repräsentativer Auswahl: Die Teilnehmer können/müssen sich „im öffentlichen Raum“ artikulieren. Dadurch nehmen auch hier tendenziell wieder diejenigen teil, die die Öffentlichkeit nicht scheuen – und weniger die avisierte „schweigende Mehrheit“.

+ Auch auf Grund der (üblichen) Teilnehmerzahl (meist im niedrigen zweistelligen Bereich) werden keine repräsentativen Daten erhoben.

Repräsentative Meinungsforschung

Hier werden „Umfragen“ (meist telefonisch oder online) in einem definierten Projektraum durchgeführt.

Es steht das ganze Instrumentarium der empirischen Sozialforschung zur Verfügung, mit dem Daten zu Bekanntheit, Einstellungen und Images erhoben werden können.

Vorteile dieses Verfahrens:

+ Der Output sind repräsentative (hochrechenbare) Daten.

+ Die „schweigende Mehrheit“ kommt – wesentlich leichter – zu Wort, da sie jederzeit anonym bleibt.

+ Das Instrument ist leicht in die eigentliche „Projekt-Facharbeit“ zu integrieren und kann beliebig oft fortgeschrieben bzw. wiederholt werden.

+ Die Öffentlichkeit ist mit dem Instrument der repräsentativen Meinungsforschung vertraut, kann es einordnen und werten.

Nachteile dieses Verfahrens:

+ tendenziell höhere Kosten als beim „Zufallsbürger“

+ Qualitative Ansätze sind nur begrenzt umsetzbar.

Fazit

Sowohl das Instrument „Zufallsbürger“ als auch die „flankierende Meinungsforschung“ sind geeignet, die Legitimität von Partizipationsformaten bei akzeptanzkritischen Projekten zu verbessern.

Auch in diesem Fall sollte die inhaltliche, regionale, temporäre und formale Spezifik des jeweiligen Projektes ausschlaggebend für das einzusetzende Instrument sein.

Nach unserer Einschätzung sprechen die Flexibilität des Einsatzes und die bessere Verwertungsmöglichkeit der (Teil-)Ergebnisse in der Projektkommunikation meist für den Einsatz der flankierenden Meinungsforschung.

Wir bieten unseren Kunden an, durch gründliche Betrachtung der Projektsituation das jeweils sinnvollste Instrument zu finden und einzusetzen.

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